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Wie gelingt der Wasserstoffhochlauf? Interview mit Gabriël Clemens, Geschäftsführer der E.ON Hydrogen

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Autor: Magnus Schwarz

Gabriël Clemens ist seit Dezember 2021 Geschäftsführer der E.ON Hydrogen
© E.ON Hydrogen
Gabriel Clemens Eon

Die E.ON Hydrogen GmbH ist eine hundertprozentige Tochter der E.ON SE und entwickelt seit 2022 ihr Geschäft entlang der Wasserstoff- Wertschöpfungskette. Im April erschien die vierte „H2Bilanz“ auf Basis von Daten des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI). Im November hatte das Unternehmen die dritte Version herausgebracht, gemeinsam mit der Studie „Herausforderungen und Instrumente zur Unterstützung des Markthochlaufs der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland“ mit Frontier Economics. Im Interview erläutert Gabriël Clemens, Geschäftsführer der E.ON Hydrogen, welche Schlüsse die dritte H2Bilanz zieht, welche Wasserstoffprojekte und -aktivitäten sein Unternehmen vorantreibt, mit welchen Herausforderungen es dabei konfrontiert ist und welche Vor- und Nachteile die fünf Instrumente der Studie von Frontier Economics besitzen, mit denen der Wasserstoffhochlauf beschleunigt werden kann (Erstveröffentlichung: gwf Gas + Energie 1-2/2024).

H₂News: Herr Clemens, was ist der Ansatz von E.ON in puncto Wasserstoff?

Gabriël Clemens: Wasserstoff ist ein Teil unserer Strategie, Kunden bei ihren Dekarbonisierungsaktivitäten zu unterstützen. Insgesamt sehen wir vier Ansätze: Erstens Erhöhung der Energieeffizienz, zweitens Elektrifizierung auf Basis von Erneuerbaren Energien, drittens CCS/CCU in Sektoren, in denen es keine andere Option gibt, und viertens grüne Gase wie grünen Wasserstoff. Allerdings lässt sich grüner Wasserstoff nur direkt verwenden, wenn der Kunde bereits grauen nutzt. Will er seinen Betrieb von Erdgas auf Wasserstoff umstellen, sind einige Investitionen nötig. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von E.ON Energy Infrastructure Solutions prüfen wir daher individuell, welche Lösung für den Kunden am besten ist.

H₂News: Sie beobachten zugleich den Gesamtmarkt für Wasserstoff und seine Derivate und fassen Ihre Ergebnisse in einer „H2Bilanz“ zusammen. Was hat es damit auf sich?

Clemens: Mit der Wasserstoffwirtschaft steigen wir nicht in einen existierenden Markt ein, sondern in eine neue Industrie, die wir erst gemeinsam mit anderen Marktteilnehmern sowie  der Wissenschaft aufbauen müssen. Dabei setzen wir auf günstige politische und regulative Rahmenbedingungen. Allerdings weiß keiner genau, wo es hingeht. Unsere H2Bilanz soll hier eine neutrale Informationsgrundlage bieten. Deshalb haben wir mit dem EWI einen unabhängigen Forschungspartner engagiert, mit dem wir den Stand der Wasserstoffwirtschaft regelmäßig anhand der in Deutschland veröffentlichten Wirtschafts- und Projektdaten evaluieren.

H₂News: Was genau wird analysiert?

Clemens: Wir schauen uns an, wie es um die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft und -infrastruktur bestellt ist. Dabei geht es zunächst um die Produktionskapazitäten. Rund die Hälfte des europäischen Bedarfs soll mittelfristig in Europa produziert werden, allein in Deutschland sollen im Jahre 2030 10 GW Elektrolysekapazität bereitstehen. In der H2Bilanz schauen wir uns an, wo wir aktuell bei der Umsetzung dieser Ziele stehen. Dies dient einerseits unserer Planung, andererseits wollen wir damit die Diskussion rund um H2-Gesetzgebung, -Regulierung und -Technologie vorantreiben.

H₂News: Im November 2022 haben Sie die erste H2Bilanz erstellt, inzwischen liegt die dritte vor. Was ist die „Bilanz der Bilanzen“?

Clemens: Vor einem Jahr lagen wir bei rund 5,6 projektierten GW Elektrolysekapazität bis 2030 – also nur etwas mehr als der Hälfte des Bedarfs. Jetzt sind wir bei 8,7 GW. Und dabei geht es nur um angekündigte Projekte, finale Investitionsentscheidungen (FID) gibt es eigentlich noch gar keine. Wir haben nur noch sechs Jahre Zeit bis zur Erreichung der Ziele im Jahr 2030. Wenn man nun bedenkt, wie lange Genehmigungen dauern und dass viele der angekündigten Projekte es am Ende aus unterschiedlichen Gründen nicht schaffen werden, wird klar: Diese 8,7 GW sind viel zu wenig.

H₂News: Wie sieht es infrastrukturseitig aus?

Clemens: Leider passiert auch dort zu wenig. Derzeit sind nur 420 km Wasserstoffnetz in Betrieb. Mit dem geplanten Kernnetz könnten wir natürlich ein großes Stück weiterkommen. Aber mit dem Kernnetz wären nur die Großverbraucher sowie die großen Kraftwerke, Speicher und Importterminals verbunden. Das Herz der deutschen Wirtschaft bildet jedoch der Mittelstand; er sichert rund 50 % der deutschen Arbeitsplätze und des Bruttosozialprodukts. Aber der Mittelstand hängt nicht am Kernnetz.

H₂News: Welchen Schluss ziehen Sie daraus?

Clemens: Wenn diese mittelständischen Unternehmen dekarbonisieren sollen, gibt es nur drei Optionen. Nummer 1: Wir bringen den Wasserstoff durch die Umstellung von Leitungen und Leitungsneubau über das Verteilnetz zu ihnen. Allerdings gibt es bislang nur Pläne zum Kernnetz, beim Verteilnetz müssen wir abwarten, was passiert. Nummer 2: Sie verzichten auf Wasserstoff und elektrifizieren ihre Prozesse. Das geht an manchen Stellen, ist bei vielen energieintensiven Branchen aber nicht möglich. Nummer 3: Die Unternehmen verlegen ihren Standort in die Nähe des Kernnetzes. Doch Achtung: Wenn ein Betrieb schon umzieht, dann womöglich nicht an das Kernnetz, sondern gleich ins Ausland.

H₂News: Sie kommunizieren die Ergebnisse der H2Bilanz auch öffentlich, 2022 etwa unter dem Titel „Deutschland ist nicht H2-ready“. Erhalten Sie Resonanz aus der Politik?

Clemens: Ja. Vielen ist klar, dass es nicht reicht. Es gibt eben das Henne-Ei-Problem: Keiner startet eine Produktion, wenn er keinen sicheren Abnehmer hat, und niemand wird Abnehmer, wenn er keinen sicheren Produzenten hat. Zudem plant oder betreibt niemand eine Wasserstoffinfrastruktur, wenn er nicht sicher weiß, dass er Wasserstoff transportieren wird. Deshalb begrüßen wir die Anstrengungen zum Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes.

H₂News: Die Situation ist also noch komplizierter: Es gibt nicht nur „eine Henne“ und „ein Ei“.

Clemens: Genau. Auf der Abnehmerseite ist die Frage besonders knifflig: Wenn ein Betrieb bereits grauen Wasserstoff nutzt, kann er grünen ordern. Ist dann mal keiner verfügbar, nutzt er wieder grauen. Das schadet nur seiner CO2-Bilanz. Ein anderer Fall ist es aber, wenn ein Betrieb seinen Prozess gänzlich von Erdgas auf Wasserstoff umstellt. Dann investiert er, ist nachher darauf angewiesen und muss sicher sein, kontinuierlich damit versorgt zu werden. Zudem ist die Anwendung von grünem Wasserstoff bei derzeitigen Gas- und CO2-Preisen schlicht nicht kostendeckend. Viele Kunden haben großes Interesse an dem Energieträger, aber wenn er zwei bis drei Mal so teuer ist wie der Einsatz von Erdgas, wird niemand umsteigen. Höchstens in Luxussegmenten oder dort, wo es wirklich keine andere Dekarbonisierungsalternative gibt, hätte der grüne Wasserstoff dann eine Chance, wenn wir davon ausgehen, dass der Aufpreis dort keine Rolle spielt.

H₂News: Demnach wechselt ein Kunde nur, wenn es sich lohnt, oder er dazu gezwungen wird.

Clemens: Richtig. Und entweder lohnt es sich wirklich – wie derzeit schon ansatzweise in der Schwerlastmobilität – oder der Staat muss entsprechende Anreize schaffen, wie er es beispielsweise mit Klimaschutzverträgen zu tun beabsichtigt um die Differenz zum nötigen CO2-Preis auszugleichen. Es wird sich kaum ein Unternehmen finden, das nur wechselt, weil es grünen Wasserstoff gut findet und bereit ist, mehr dafür zu zahlen.

Eon Hydrogen

Das Kraftwerk in Bergkamen verfügt bereits über eine Infrastruktur zur Anlieferung und Speicherung von Ammoniak. Nun soll hier auch ein Cracker
entstehen. E.ON Hydrogen übernimmt Bereitstellung und Logistik des Ammoniaks ( © STEAG)

H₂News: Wie sieht das Vorgehen bei E.ON Hydrogen aus?

Clemens: Wir haben ebenfalls noch keine finale Investitionsentscheidung (FID) getroffen. Im Rahmen von Pilotprojekten betreiben wir aber einige Elektrolyseure im normalen wirtschaftlichen Betrieb, um zu sehen, wie die Technik funktioniert, welche Genehmigungen gebraucht werden, wie die Stromnetze reagieren und vieles mehr. Zudem besitzen wir eigene Teilnetze, die schon auf 100 % Wasserstoff betrieben werden. In den Niederlanden haben wir erste Haushaltskunden, die wir mit grünem Wasserstoff versorgen. Dabei lernen wir viel über Themen wie Abrechnung, Belieferung und Sicherheit. Die E.ON-Tochtergesellschaften HanseWerk und Avacon haben zudem ein Joint Venture gegründet, das derzeit mehrere große Elektrolyseanlagen plant. Außerdem beteiligen wir uns an der Ausschreibung der Europäischen Wasserstoffbank und sind Mitglied von H2Global, wo ich E.ON vertrete. Wir haben also viele Projekte in der Pipeline und hoffen, sie bis zur FID bringen zu können.

H₂News: Sind Sie auch an internationalen Projekten beteiligt?

Clemens: Ja, so haben wir im Rahmen der CEO-Alliance untersucht, ob wir grünen Strom aus Italien zur Wasserstoffproduktion nach Deutschland transportieren können oder wie wir in Spanien erzeugten grünen Ammoniak per Schiff nach Rotterdam bringen und von dort über Rohrleitungen ins Ruhrgebiet. Das funktioniert in der Theorie gut, aber viele Regularien erschweren die Abläufe. Laut des Delegierten Rechtsakts zur Definition von erneuerbarem Wasserstoff muss der Strom etwa in der Umgebung des Elektrolyseurs oder einem Nachbarstaat produziert werden. Italien hat aber keine gemeinsame Grenze mit Deutschland. Damit können wir den Grünstrom zwar importieren, den erzeugten Wasserstoff aber nicht mehr erneuerbar nennen. In der Praxis gibt es also immer wieder Herausforderungen. Übrigens beschäftigen wir uns auch mit dem Import von Wasserstoff aus Übersee.

H₂News: Inwiefern?

Clemens: Wir prüfen internationale Projekte inklusive der Häfen und Transportinfrastruktur vor Ort. Das beste Transportmedium für den Überseetransport ist aktuell sicher Ammoniak. In den großen europäischen Häfen wie Rotterdam, Wilhelmshaven, und Dünkirchen wird schon an entsprechenden Terminals geplant. Aber so gelangt der Wasserstoff nur an einen Seehafen, ist also noch nicht beim Kunden im Sauerland oder der Schwäbischen Alb – der Transport über die Weltmeere ist meist einfacher zu bewerkstelligen als der zwischen Seehafen und Verbraucher.

H₂News: Es gibt mehrere Strategien, um den Wasserstoffhochlauf doch noch erfolgreich zu gestalten. Dazu haben Sie eine Studie bei Frontier Economics in Auftrag gegeben, in der verschiedene Instrumente diskutiert werden. Ihr Fazit?

Clemens: Es gibt keine Silver Bullet, keine One-Size-fits-all- Lösung – alle haben ihre Stärken und Schwächen. Wie bei der H2Bilanz wollten wir durch den externen Blick von Frontier Economics zunächst einmal selbst Klarheit erhalten, zugleich aber auch die Diskussion rund um das Gelingen des Wasserstoffhochlaufs vorantreiben. Wir wollen verstehen, womit wir es zu tun haben.

H₂News: Können Sie die Antwort zusammenfassen?

Clemens: Grob gesagt gibt es drei Linien. Erstens kann man den Wasserstoff billiger machen. Hierbei lässt sich wiederum einerseits die Produktion vergünstigen, etwa durch Steuersenkungen oder Produktionssubventionen, wie sie der US-amerikanische Inflation Reduction Act (IRA), oder die europäische Wasserstoffbank ausschütten. Andererseits kann man die höheren Bezugskosten im Vergleich zu fossilen Energieträgern ausgleichen, zum Beispiel durch Carbon Contracts for Difference (CCfDs). Man macht also den Verbrauch attraktiver.

H₂News: Was sind die anderen beiden Linien?

Clemens: In der zweiten setzt man nicht darauf, Produktion oder Verbrauch von grünem Wasserstoff zu vergünstigen, sondern seine Alternativen – fossile Energieträger – durch Instrumente wie CO2-Steuern oder -zertifikate teurer zu machen. Drittens kann man den Einsatz von Wasserstoff gesetzlich erzwingen, wie mit der aus der SPD-Bundestagsfraktion vorgeschlagenen Grüngasquote für den Gashandel.

H₂News: Gibt es denn immerhin einen Trend, ob es besser ist, die Angebots- oder Nachfrageseite zu fördern?

Clemens: Nein, am Ende ist es egal, wo in der Kette gefördert wird – es geht darum, die Brücke zwischen Erzeugern und Anwendern zu schlagen; die Wasserstoffwirtschaft kommt nur in die Gänge, wenn es Partnerschaften zwischen beiden gibt. Zugleich muss es eine Gewinnmarge geben. Da wir aber den Markt noch nicht kennen, wissen wir auch nicht, an welcher Stelle der Wertschöpfungskette die Marge abfällt. Unser Vorschlag ist, dass wir uns sowohl die Risiken als auch die Marge teilen – dann ist es gar nicht so entscheidend, wo genau sie liegt. Nochmal: Wir sind weit von einem normalen Markt mit Börsenpreisen usw. entfernt, deswegen glaube ich an solche Partnerschaften. Das zeigt auch die Studie von Frontier Economics.

H₂News: Schauen wir uns die fünf Varianten der Studie im Detail an: Die Grüngasquote würde den Gasvertrieb dazu verpflichten, einen bestimmten Anteil grüner Gase in sein Gesamtportfolio aufzunehmen.

Clemens: Genau, so sieht es das jetzige Modell vor. Und dann kann es passieren, dass ein Kunde vollständig grün einkauft, ein anderer aber nur teilweise. Es wäre den Händlern auch nicht möglich, Beimischungen zu verkaufen. Beimischung von Wasserstoff in Erdgas klingt immer schön und ist an vielen Stellen sinnvoll, aber nur, solange das Gas nicht stofflich gebraucht wird. Wenn Sie etwa Glas für ein Flugzeugfenster herstellen, verliert das Fenster seine Zertifizierung, wenn bei seiner Herstellung auf Wasserstoff umgestellt wurde. Dann darf es nicht eingebaut werden, weil es die Kriterien nicht mehr erfüllt. Bei einer Beimischung gilt ein Gas quasi als Verunreinigung des anderen, weshalb es Sinn machen kann, dass das Quotenmodell keine Beimischung vorsieht.

H₂News: Ihre Meinung zu diesem Instrument?

Clemens: Es hat wie alle Instrumente seine Vor- und Nachteile. Ein Vorteil: Der Vertrieb kann seinen Kunden grüne Gase verkaufen und erwirbt damit Zertifikate. Hat ein Händler davon zu viele, kann er sie an einen anderen weiterverkaufen, der weniger Grüngas-Kunden bzw. zu wenige Zertifikate hat. Damit stellen sich die Preise ein, die die Wertigkeit von grünen Gasen gegenüber fossilen indizieren. Unsere Studie zeigt: Das Quotenmodell kann funktionieren, dafür müssen aber die Parameter gut eingestellt werden. Bislang ist es nur eine Idee, und die politische Diskussion dazu ist noch im vollen Gange. Der größte Vorteil der Quotenregelung aus Sicht der Politik ist wohl, dass sie den Staatshaushalt nicht direkt beansprucht. Die Regierung muss nur einen Beschluss fassen, die Kosten werden über die Gashändler letztlich an die Kunden weitergereicht. Die Frage ist, ob wir wollen, dass die Endkunden weiter belastet werden.

H₂News: Bei dem Modell der Produktionsprämie unterscheiden Sie zwei Varianten: Eine fixe und eine variable.

Clemens: Genau. Mit einer fixen Produktionsprämie pro Kilo Wasserstoff gewinne ich Sicherheit in Hinblick auf die Höhe des Zuschusses. Mit einer variablen Prämie bezuschusse ich schwankende Kosten wie den Strompreis. Für die Projektplanung macht das einen Unterschied, da die Fixprämie während eines definierten Zeitraums konstant gezahlt wird und sich die variable laufend anpasst. Ein Wasserstoffproduzent hat ja im Wesentlichen variable Kosten, insbesondere für Strom. Die eine Prämie ist der anderen nicht grundsätzlich überlegen – es sind auch Misch-Modelle denkbar.

H₂News: Als vierte Variante nennt die Studie Erleichterungen bei der Stromsteuer oder den Netzentgelten und moniert, dass sie die Kosteneffizienz nicht steigerten. Warum ist das so?

Clemens: Nun, im Modell der Wasserstoffbank kriegen die Produzenten einen Zuschlag, die am effizientesten und günstigsten produzieren. Damit fördert man indirekt die effizienteste Form der Herstellung. Wenn ein Staat aber einen Rabatt auf die Nutzung seines Netzes gibt, gilt dieser für alle gleichermaßen. Das ist quasi die Gießkannen-Methode: Ich helfe allen gleich viel und behalte damit die Deltas bei; auch die eher ineffizienten Methoden werden weiter gefördert. Das ist so, als würden Sie die KFZ-Steuer auf die Anzahl an Autos erheben statt auf den CO2-Ausstoß. Bei der einen Variante haben Sie einen Anreiz, in ein sparsameres Auto zu investieren, bei der anderen nicht. Allerdings sind Steuererleichterungen − wenn sie einmal beschlossen wurden − ein einfach umsetzbares Modell, weil man sich für sie nicht mit jedem Produzenten einzeln auseinandersetzen muss.

H₂News: Ganz anders ist es bei der letzten Variante, den CCfDs: Diese Methode bezeichnen Sie als besonders komplex.

Clemens: Ja, weil man für die Aushandlung eines CCfD‘s sämtliche Alternativen im Blick haben muss. Bei einem CCfD gleicht einem der Staat die Mehrkosten aus, die durch die Nutzung einer nicht-fossilen Alternative gegenüber einer fossilen anfallen. Man muss also nicht nur prüfen, wie teuer man selbst produzieren kann, sondern auch, wie teuer die Produktion mit alternativen Verfahren, Kraftstoffen und so weiter wäre – und welches die Alternativen sind. Wer soll das festlegen? Und ist jede Alternative gleich verfügbar und gleich gut? CCfDs bringen sehr viel Bürokratie mit sich, weil einzelne Behörden prüfen und entscheiden müssen, was die emissions- und zugleich kostenärmere Alternative ist.

H₂News: Welches Fazit ziehen Sie als E.ON Hydrogen aus der Studie – Welche Kombination ist für Sie am sinnigsten?

Clemens: Ich glaube, darüber könnten wir noch 20 Jahre diskutieren. Aber dann haben uns andere überholt. In den USA hat man auch nicht lange gezögert: Der IRA hat seine Schwächen, aber er wurde implementiert. Und wenn er zu teuer wird, wird man nachsteuern. Uns fehlt dieser Pragmatismus, etwas einfach zu tun, und nachher zu sagen: „Ok, es geht in eine falsche Richtung, es wird korrigiert.“ Wir haben noch keinen Wasserstoffmarkt. Es wird noch nichts verkauft. Trotzdem ist das Erste, was wir machen, ein Unbundling auf europäischer Ebene festzulegen und über Regulierungen zu diskutieren, die strikter sein sollten als alles, was wir im Strommarkt sehen. Das stört mich wirklich. Wir sollten einfach anfangen und gegebenenfalls nachjustieren.

H₂News: Herr Clemens, vielen Dank für das Interview!

 

(Vollständige Erstveröffentlichung: gwf Gas + Energie 1-2/2024).

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